Seien wir mal ehrlich: ein lesenswerter Porno und ein leckeres Stück Kuchen passen prima zusammen, befriedigen sie doch beide unsere elementaren Bedürfnisse: die nach leidenschaftlichem erotischem Kino im Kopf und die nach ausgefallenen kulinarischen Genüssen. Gastroerotisch kommen wir daher heute mit einem wundervollen Haselnuss-Möhrenkuchen daher, literarisch mit einem autobiografisch-pornografischen Roman vom deutschen Dichter Rudolf Borchardt: „Weltpuff Berlin“, dessen „Ausflug ins Reich der Sinne alles in den Schatten stellt, was das Genre sonst zu bitten hat“ (DIE ZEIT).
„18 unbeugsame Zentimeter“ titelt die ZEIT ihre Besprechung; wir ergänzen: 26 verzehrenswerte Zentimeter locken zusätzlich auf dem Proustschen Tresen.

Das Buch:

Auf über tausend Druckseiten ein Roman, der im Berlin der Kaiserzeit spielt, der im Italien der 1930er Jahre verfasst wurde. Ein Erstdruck, wegen seiner Freizügigkeit seit Jahrzehnten von den Erben des Autors zurückgehalten. Vor dem Leser entfaltet sich ein Panorama der deutschen Kulturgeschichte von anspruchsvoller stilistischer Eleganz.
Rudolf Borchardt schildert im Alter seine wirklichen und phantasierten Erlebnisse als verbummelter Student im Berlin der Jahrhundertwende – eine tour de force zwischen Wohnungen, Hotels, Restaurants und bei Ausflügen zu Landsitzen des Adels in der Mark und in Mecklenburg, eine Fülle erotischer und sexueller Begegnungen mit dem Dienstpersonal, «Masseusen», Ladenmädchen, Künstlerinnen und Damen der besten Gesellschaft.

Mehr als siebzig Jahre nach dem Tod dieses produktiven Autors, der als Bewahrer des humanistischen Bildungsgutes geehrt, als Lebenskünstler bewundert und von einem kleinen engagierten Kreis editorisch aufgearbeitet wird, geschieht etwas Unerwartetes. Den Leser erwartet ein Zeitroman, zugleich ein Märchen aus dem Berlin des Fin-de-siècle: „Ja ja mein Sohn, und nun denke wieviele es heimlich für Geld tun, wieviele Du einfach ansprechen und mitnehmen kannst, wieviele es aus blosser Liebe und aus Geilheit tun, dann haste ne Ahnung von Berlin wie es weint und lacht. Rede mal mit Ausländern. Für die ist Berlin der Weltpuff, na Deutschland überhaupt. Paris nischt mehr dagegen.“

Rudolf Borchardt, geboren 1877 in Königsberg/Ostpreußen, studierte klassische Philologie, war befreundet mit Rudolf Alexander Schröder und Hugo von Hofmannsthal, publizierte Lyrik, Dramen, Übersetzungen, Essays und Erzählungen. Die Streitschriften des Konservativen spiegeln die Debatten der 1920er und 1930er Jahre in Deutschland. Gestorben 1945 nach einer abenteuerlichen Flucht vor den Nazis.

  • Rudolf Borchardt
    Weltpuff Berlin
    Roman
    Rowohlt Verlag, geb., 1088 Seiten
    € 35,00
    Ich bestelle